3. August, Goa.
Permanenter Wind. Rauhes Meer. Grau in Grau. Die Palmen biegen sich. Letzte Zigarette, letzter Drink. Fort Aguada, Goa, Indien.
Monsun. Regenzeit. Der Regen liegt waagerecht im Wind. Die Zeit steht still. Schlafen, Essen, Lesen, Schwimmen. Und immerzu das Rauschen des Meeres, das Rascheln der Palmen.
Sie trank ihren Kaffee und schaute hinaus in die Weite. Pausenlos krähten die Krähen. Kilometerlanger Sandstrand menschenleer. Hohe Wellen rauschen und fauchen und grollen.
Für Momente brach die Sonne durch. Die Wasseroberfläche glitzerte hell. Sie kniff die Augen zu und überließ sich den Träumen.
Ganz Indien stank nach einer Müllkippe. Sogar die Hunde sahen ekelerregend aus, halb verhungert mit ihren offenen Wunden.
Im überfüllten Bus roch es nach Kokosnuß. In der klimatisierten Ankerbar schlürfte sie ihren Ingwertee und genoß endlich mal wieder trockene Füße in trockenen Schuhen. Für Techno-Parties war jetzt keine Saison.
Sie nahm wieder den örtlichen Bus und rumpelte ohne Stoßdämpfer über die Schlaglöcher und durch die Pfützen nach Panjum. Dort angekommen watete sie durch denselben Morast vorbei an stockfleckigen Bauruinen, die so düster aussahen, als wäre gerade ein Krieg zuende gegangen. Nach einer halben Stunde Fußwanderung kehrte sie durchnäßt um. Hier war es genauso elend wie überall in Indien. Ein untergehender Kontinent.
Wenn sie im Bus in die gleichmütigen Gesichter schaute, war sie wirklich weit weg von Berlin, in der Ferne, der Fremde.
Die Tage glichen einander. Ein angenehmes Gleichmaß. Es ließ sich nicht sagen, ob die Zeit lang oder kurz war, schnell oder langsam verging. Nach 14 Tagen jedenfalls war die Urlaubszeit vorüber. Und sie hatte immer bloß hinaus geschaut, in die Weite, auf das graue rauhe Meer.
15. August 1997. 50 Jahre indische Unabhängigkeit; allmählich versinkt dieser Riesenkontinent unter Schwärmen von Krähen im Morast.